Eizellenspende legalisierenAuch der Ständerat stimmt zu
sda / mmi
13.9.2022
Der Ständerat hat heute Vormittag dem Vorstoss zur Legalisierung der Eizellenspende zugestimmt, nachdem sich bereits im Frühjahr der Nationalrat dafür ausgesprochen hat. Nun ist der Bundesrat in der Pflicht, die gesetzlichen Grundlagen zu erarbeiten.
sda / mmi
13.09.2022, 13:44
13.09.2022, 14:17
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Mit 22 Ja- zu 20 Nein-Stimmen hat der Ständerat heute Vormittag der Motion «Eizellenspende erlauben» zugestimmt. Damit soll die Eizellenspende in der Schweiz legalisiert und der Fortpflanzungstourismus von verheirateten Paaren mit Kinderwunsch eingedämmt werden.
Die kleine Kammer folgte damit einem Antrag der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S). Diese hatte mit 6 zu 5 Stimmen eine Motion der WBK des Nationalrats angenommen. Der Nationalrat hatte die Motion im März mit deutlicher Mehrheit angenommen.
Wenn die Frau unfruchtbar ist
Ehepaare, die aufgrund der Konstitution der Frau keine Kinder zeugen können, sollen das Recht haben, Eizellenspenden zu erhalten. Die Motion beauftragt den Bundesrat, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu formulieren.
Nach Auffassung der Mehrheit der Ständeratskommission führt das momentane Verbot der Eizellenspende zu einer inakzeptablen Ungleichbehandlung. Mit der Legalisierung der Eizellenspende würden Ehepaare, bei denen der Unfruchtbarkeitsgrund bei der Frau liegt, den Ehepaaren gleichgestellt, bei welchen der Mann die Ursache ist, erklärte namens der Kommission Marina Carobbio Guscetti (SP/TI).
Paare mit Schweizer Wohnsitz, bei denen die Frau unfruchtbar ist, würden mit der heutigen Gesetzgebung ins Ausland gezwungen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Schätzungen gingen von mindestens 500 solcher Reisen pro Jahr aus. Paare, bei denen der Mann unfruchtbar ist, könnten jedoch eine Samenspende in der Schweiz in Anspruch nehmen, so Carobbio.
Eizellenspende ist invasiver Eingriff
Skeptischer ist der Bundesrat und mit ihm eine Ratsminderheit. Sie argumentierten, die im Gesetz festgeschriebene Evaluierung des erst unlängst geänderten Fortpflanzungsmedizingesetzes sei noch nicht abgeschlossen. Erste Resultate seien im Jahr 2023 zu erwarten.
Die Eizellenspende müsse im Kontext der Gesamtentwicklung beurteilt werden, erklärte Isabelle Chassot (Mitte/FR) den Standpunkt der Kommissionsminderheit. Vor allem ethische, juristische aber auch medizinische Bedenken sprächen gegen die Motion. Im Unterschied zur Samenspende stelle die Eizellenspende nämlich einen körperlich invasiven und potenziell gesundheitsgefährdenden Eingriff dar. Mit Verweis auf die nationale Ethikkommission und die Schweizer Ärztevereinigung erklärte Chassot, dass zu viele sensible Fragen noch offen seien.
Es geht um Gleichstellung
Für Kommissionsmitglied Matthias Michel (FDP/ZG) hat die Motion wesentlich mit Gleichstellung und dem Grundrecht der sogenannten reproduktiven Autonomie zu tun. Kritikerinnen und Kritiker der Motion wollten zuerst alle Details lösen, aber das wäre «das Pferd am Schwanz aufgezäumt», so Michel.
Für Andrea Gmür (Mitte/LU) greift das Argument der vermeintlichen Gleichstellung viel zu kurz. Eizellenspenden förderten viel mehr soziale Ungleichheiten, es gehe um die Ausbeutung der Spenderinnen. In Spanien gebe es einen Markt für Eizellenspenden, das habe nichts mit Selbstbestimmung zu tun.
Gesundheitsminister Alain Berset erklärte, dass der Bundesrat materiell zur Eizellenspende nicht Stellung nehme, die Motion aber ablehne. In ein paar Monaten werde die im Gesetz festgeschriebene Evaluierung des erst unlängst geänderten Fortpflanzungsmedizingesetzes abgeschlossen.
Der Bundesrat muss sich aber ohnehin an die Arbeit machen. Nach der Zustimmung durch die kleine Kammer als Zweitrat hat der Bundesrat und mit ihm die Verwaltung den Auftrag erhalten, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Es ist noch ein weiter Weg
Bis zur tatsächlichen Legalisierung ist es noch ein weiter Weg, dessen ist sich auch Katja Christ, Nationalrätin (GLP-/BS), bewusst. «Trotzdem bin ich extrem happy, denn so weit waren wir in der Politik noch nie.» In der Vergangenheit gab es bereits mehrere parlamentarische Vorstösse. Christ lancierte zuletzt ihre Initiative 2021.
Sie ermutigt deshalb alle Betroffenen, sich für das Thema starkzumachen und darüber zu sprechen. «Der Erarbeitungsprozess dauert jeweils lange. Deshalb müssen wir die Aufmerksamkeit hochhalten, damit die Legalisierung so rasch wie möglich vorwärtskommt», so Christ weiter.
Eizellenspende ist in fast ganz Europa legal
Mit der Legalisierung soll die Schweiz an die meisten europäischen Länder anschliessen, in denen das Spenden von Eizellen bereits legal ist. In Europa kennen neben der Schweiz nur noch Deutschland, Bosnien und Herzegowina sowie die Türkei ein solches Verbot.
In der Schweizer Fortpflanzungsmedizin sind künstliche Befruchtungen sowie die Samenspende erlaubt. Am häufigsten werden In-Vitro-Fertilisation, IVF, und die Insemination durchgeführt.
Beim IVF-Verfahren werden Ei- und Samenzelle im Labor zusammengebracht und anschliessend in die Gebärmutter eingesetzt. Bei der Insemination werden die Samenzellen in den Körper eingeführt, wo es dann zur Befruchtung der Eizelle kommen soll.
Wegen der restriktiven Bedingungen in der Schweiz reisen jährlich rund 6000 Paare ins Ausland. Denn nur heterosexuellen Paaren in einer stabilen Beziehung, die keine Kinder kriegen oder welche eine schwere Krankheit vererben können, ist es erlaubt von der Fortpflanzungsmedizin Gebrauch zu machen. Mit der Annahme der «Ehe für alle» haben seit Mitte 2022 nun auch weibliche Ehepaare mit der Samenspende Zugang zur Fortpflanzungsmedizin.